Sagen des Siebengebirges

 


 Aufgestelltes und leicht aufgeklapptes Buch mit rotem Ledereinband mit goldgeprägtem Buchtitel und schwarzer ornamentaler Umrandung.

Karl Simrock: Rheinsagen
Ausgabe 1883

Im Laufe des 19. Jahrhunderts erwirbt die Landschaft des Siebengebirges das Prädikat "sagenhaft". Ähnlich wie an anderen Orten der neuentdeckten Reiselandschaft am "Romantischen Rhein" liegt ein wesentlicher Grund hierfür in dem Bemühen von sprach- und volkskundlichen Forschern, mündliche Überlieferungen aufzuzeichnen und einem breiteren Publikum zugänglich zu machen.
 

Daneben macht sich aber auch das Phänomen bemerkbar, dass populäre Orte Legenden geradezu magisch anziehen. Manche bis dahin vielerorts überlieferte Wanderlegenden oder ohne genaue Lokalisierung überlieferte Sagenstoffe werden mit bekannten Plätzen neu verknüpft. Markantes Beispiel im Falle des Siebengebirges ist eine der zentralen Episoden aus dem Umfeld des Nibelungenliedes: In Reisebeschreibungen des frühen 19. Jahrhunderts werden erstmals Überlegungen greifbar, wonach der Schauplatz der Legende von "Siegfrieds Kampf mit dem Drachen" am Drachenfels vermutet wird. Trotz des rein spekulativen Charakters derartiger Gedankenspiele werden sie letztendlich Teil volkstümlicher Überlieferung und touristischer Vermarktung.
 

Nachfolgend einige Beispiele populärer Sagen aus dem Siebengebirge:


 


 

Sieben dicht beieinander stehende Risen mit wilden Haaren und riesigen Schaufeln. Zu ihren Füßen rechts eine Schar sehr kleiner Menschen, links der Rhein.

Die sieben Riesen
Zeichnung
(Zeitungsillustration)
von Gerhard Kraaz,
1960er Jahre
 
Die Entstehung des Siebengebirges

In uralter Zeit lag oberhalb Königswinter ein großer See, der zur Zeit der Schneeschmelze oft Schaden anrichtete. Die Uferbewohner aus der Eifel und vom Westerwald fassten daher den Plan, ihn abzuleiten. Da dieses Werk aber Menschenkraft überstieg, wandten sie sich an die Riesen, denen sie hohen Lohn versprachen. Sieben von ihnen kamen. Sie trugen gewaltige Schaufeln auf den Schultern und machten sich alsbald an die Arbeit. Nach ein paar Tagen hatten sie schon eine tiefere Scharte in das Gebirge gegraben. In die Vertiefung drang das Wasser und vollendete das Werk der Riesen.
Der See floss ab. Wo früher seine Fluten gespült hatten, lag nun fruchtbares Land. Die dankbaren Uferbewohner schleppten den Lohn  für die Riesen herbei. Diese teilten ihn brüderlich, und jeder von ihnen schob seinen Anteil in seinen Reisesack. Ehe sie Abschied nahmen, klopften sie noch Erdreich und Gestein, die an den Spaten hafteten, ab. Dadurch entstanden sieben Berge, die man noch heute am rechten Rheinufer sehen kann.

August Antz, 1961
 

 In Vignetten unterteiltes Schmuckblatt mit zahlreichen Ornamenten. In der Mitte der auf einer Mauer sitzende Ritter Roland in mittelalterlichem Gewand, den Kopf im Trauergestus auf die Hand gelegt.  Hinter ihm die auf dem Berg hoch aufragende Rolandsburg.  Unter ihm eine Ansicht des Drachenfels mit der Insel Nonnenwerth von Süden.  Neben ihm links in roter Schrift das Wort Roland.

Ritter Roland in Trauer
Farblithographie,

C. Scheuren, 
J.B.A. Sonderland, um 1865
 

Die Rolandsage

Eine junge Gräfin, ein edler Held,
Sie schwuren sich Lieb und Treu;
Er kam aus der Schlacht, er zog zu Feld,
Die Liebe war immer neu.

In Spanien stritt die fränkische Kraft,
O Roncesval, blutiges Thal!
Da fiel die Blüte der Ritterschaft,
Da fiel Held Roland zumal.

„Nun Ade dir, Welt! dein süßer Gewinn
Betrüglich ist er fürwahr:
Maria, himmlische Königin,
Dir weih ich mein goldenes Haar.“

Das Kloster beschaut sich mitten im Rhein;
Noch hallen die Glocken im Thal.
Da schallt ein Huf, wer mag es sein?
Der Todte von Roncesval?

Nein Roland selbst, er leibt und lebt:
Ja wärest du, wärest du todt!
Denn wisse, daß sie das Kloster begräbt, 
Die dir zu leben gebot.

„Und begräbt das Kloster Schön Hildegund,
So setz ich mich hier auf den Stein
Und schaue zeitlebens zum Tode wund
Hinab auf das Kloster im Rhein.“ 

Im Kloster betete Hildegund;
Held Roland saß auf dem Stein
Und schaute zeitlebens, zum Tode wund,
Hinab auf das Kloster im Rhein.

Karl Simrock, 1837
 

 An einen Fels gedrückte, ängstliche, unbekleidete junge Frau mit langem Lockenhaar und gelösten Fesseln an den Armen. In ihrer rechten Hand erhebt sie ein Kreuz gegen den Drachen, der vor den Hang hinauf kommt und das Maul aufgerissen hat.  Von seinem Körper sind nur Kopf und der panzerartige Schulteransatz zu sehen.

Drache und Jungfrau
Illustration zu Nicolaus Vogt:

Rheinische Bilder;
Frankfurt / M. 1821.
Lithographie von J.N. Peroux
 

Der Drache am Drachenfels

In alten Zeiten, als an den Ufern des Rheins noch Heiden wohnten, hauste im Siebengebirge ein furchtbarer Drache, dem man tagtäglich Menschenopfer darbrachte. Meist waren es arme Kriegsgefangene, die ihm vorgeworfen wurden. Unweit der Höhle band man sie fest an einen Baum, unter dem ein Altar aufgemauert war. Zur Zeit der Abenddämmerung kam das Ungeheuer hervor und verschlang gierig die Opfer.
 

Einst brachten die Bewohner des Landes von einem Kriegszug eine christliche Jungfrau von großer Schönheit als Gefangene mit. Da sich die Anführer über den Besitz der Beute nicht einigen konnten, wurde die Unglückliche als Opfer für den Drachen bestimmt. Auf dem Altarsteine wurde sie, in weißem Gewande, wie eine Braut geschmückt, festgebunden. Ruhig stand sie da, ergeben in Gottes Willen. Aus der Ferne blickte das Volk wie gebannt nach der furchtbaren Stätte.
 

Als die letzten Strahlen der untergehenden Sonne auf den Eingang der Höhle fielen, kam mit glühendem Atem der Drachen hervor und kroch nach dem Altare, um sein Opfer zu verschlingen. Doch auch da verzagte die edle Jungfrau nicht. Zuversichtlich hielt sie ihr Kreuzlein empor. Vor diesem Zeichen wich das Untier zurück; brüllend und schnaubend stürzte es sich den Felsen hinab in den Rhein.
 

Voll Staunen und Freude eilte das Volk herbei, um die Jungfrau zu befreien. Es bewunderte gar sehr die Macht des Christengottes und ließ die Gerettete frei in die Heimat zurückziehen.

August Antz, 1961
 

 Dreiteiliges Bild: Links ein lauf einer Bank unter einem Baum sitzender Mönch mit einem Buch in der Hand. In der Mitte der gleiche Mönch über eine Wiese auf die Abteikirche in Heisterbach zugehend.  Rechts der nun gealterte Mönch mit weißem Haar in den Armen eines vor ihm knienden Mönchs zusammengesunken. Weitere Mönche stehen drum herum.

Der Mönch von Heisterbach
Ansichtskartenmotiv (Ausschnitt) 

nach einem Wandgemälde von 
Willy Stucke, um 1930.
(Original: Kloster Heisterbach)
 

Der Mönch zu Heisterbach

Ein junger Mönch im Kloster Heisterbach
Lustwandelt an des Gartens fernstem Ort;
Der  Ewigkeit sinnt tief und still er nach
Und forscht dabei in Gottes heilgem Wort.

Er liest, was Petrus der Apostel sprach:
Dem Herren ist ein Tag wie tausend Jahr,
Und tausend Jahre sind ihm wie ein Tag;
Doch wie er sinnt, es wird ihm nimmer klar.

Und er verliert sich zweifelnd in den Wald:
Was um ihn vorgeht hört und sieht er nicht;
Erst wie die fromme Vesperglocke schallt,
Gemahnt es ihn der ernsten Klosterpflicht.

Im Lauf erreichet er den Garten schnell;
Ein Unbekannter öffnet ihm das Thor.
Er stutzt – doch sieh, schon ist die Kirche hell, 
und draus ertönt der Brüder heilger Chor.

Nach seinem Stuhle eilend tritt er ein, 
Doch wunderbar, ein anderer sitzet dort;
Er überblickt der Mönche lange Reihn:
Nur Unbekannte findet er am Ort.

Der Staunende wird angestaunt ringsum, 
man fragt nach Namen, fragt nach dem Begehr;
Er sagts, da murmelt man durchs Heiligthum:
Dreihundert Jahre hieß so Niemand mehr.

Der letzte dieses Namens tönt es laut,
Er war ein Zweifler und verschwand im Wald,
Man hat den Namen Keinem mehr vertraut. – 
Er hört das Wort, es überläuft ihn kalt.

Er nennet nun den Abt und nennt das Jahr;
Man nimmt das alte Klosterbuch zur Hand,
Da wird ein großes Gotteswunder klar:
Er ists, der drei Jahrhunderte entschwand.

Der Schrecken lähmt ihn, plötzlich graut sein Haar,
Er sinkt dahin, ihn tödtet dieses Leid,
Und sterbend mahnt er seiner Brüder Schar:
„Gott ist erhaben über Ort und Zeit."

„Was Er verhüllt, macht nur ein Wunder klar,
Drum grübelt nicht, denkt meinem Schicksal nach.
Ich weiß: ihm ist ein Tag wie tausend Jahr,
Und tausend Jahre sind ihm wie ein Tag.“

Wolfgang Müller von Königswinter, nach 1837
 

Literaturhinweise

  • Antz, August: Rheinlandsagen für Jugend und Volk. Bonn 1961
  • Fischer, Helmut: Sagen des Westerwaldes. Montabaur 1987
  • Simrock, Karl: Rheinsagen aus dem Munde des Volkes und deutscher Dichter, für Schule, Haus und Wanderschaft. Bonn 1837
     
  • Wiechern, Daniela: Sagen rund um den Drachenfels.In: Rheinreise 2002. Der Drachenfels als romantisches Reiseziel. Bonn 2002

        (siehe: Publikationen des Siebengebirgsmuseums)