Das Siebengebirge in der Dichtung:Lyrische Kostproben |
Die Romantik als gesamteuropäische kulturelle Bewegung gewann am Ende des 18. Jahrhunderts zunehmenden Einfluß in allen Bereichen künstlerischen Schaffens. Einer der sie prägenden Inhalte sollte von nachhaltiger Bedeutung für die Rheinlande werden: Ein neues Landschaftsempfinden ließ nunmehr auch solche Regionen interessant erscheinen, die zuvor von Reisenden allenfalls als unvermeidliche Hindernisse zwischen den für sie attraktiven Zielorten wahrgenommen wurden.
Insbesondere englische Reisende waren es, die den Rhein als neue Reiseroute auf ihrem Weg zu den Stätten klassischer Antike nutzten. Das Siebengebirge als erster landschaftlicher Höhepunkt dieser Route fand ihre Bewunderung und wurde schnell zur Attraktion - und damit zum Gegenstand von Gemälden, Zeichnungen und Reisebeschreibungen. Seine Verherrlichung fand Eingang in Reiseführer und schließlich auch in die lyrische Produktion der bekanntesten zeitgenössischen Dichter. Am Anfang dieser "lyrischen Karriere" stand der englische Poet Lord Byron, dessen Drachenfels-Zeilen zahllose Reisende beeinflußten und zum Pflichtbestandteil englischer Reiseführer wurden. In der Lyrik der folgenden Jahrzehnte finden sich die jeweils zeittypischen Strömungen wieder - seien sie politisch motiviert oder auch den jeweiligen "Modetrends" verpflichtet. Es finden sich hier auch die ersten Anzeichen späterer Klischees, die teilweise bis heute das Bild des Rheinlandes und seiner Bewohner prägen ... |
Lord Byron (George Gordon Noel) "The castled crag of Drachenfels" (1816) The castled crag of Drachenfels And peasant girls with deep blue eyes, I send the lilies given to me; The river nobly foams and flows,
"Der turmgekrönte Drachenfels" (1816) Weit droht ins offne Rheingefild Und manche holde Bäuerin Die Lilien, welche ich empfing, Der schönen Sagen Zaubergrund; In tausend Windungen erschließt Sich neue Schönheit, reich und bunt; Wer wünschte nicht mit Herz und Mund Ein Leben lang zu rasten hier? Kein Raum wär' auf dem Erdenrund So teuer der Natur und mir, Wenn deine lieben Augen nur Noch holder machten Strom und Flur. |
Heinrich Heine "Die Nacht auf dem Drachenfels" (1830) Um Mitternacht war schon die Burg erstiegen, Wir tranken Deutschlands Wohl aus Rheinweinkrügen, Und aus den Trümmern steigt ein tiefes Ächzen, Auf hohem Drachenfels, doch leider bracht' ich Den Schnupfen und den Husten mit nach Hause. |
Ferdinand Freiligrath "Auf dem Drachenfels" (1839) Hoch stand ich auf dem Drachenfels; In seiner Trauben lust'ger Zier, Die Wangen glühn, die Herzen klopfen! Es blitzt der Helm und das Visier, Und schöne, frische Wunden tropfen! Und hoch im Erker sinnend steht, Vor der sich senken alle Fahnen; - Was bin ich so bewegt? - was weht Durch meine Brust ein sel'ges Ahnen? |
Wolfgang Müller von Königswinter "Mein Herz ist am Rhein" (1841) Mein Herz ist am Rheine, im heimischen Land!
Mein Herz ist am Rhein, wo die Wiege mir stand, Wo die Jugend mir liegt, wo die Freunde mir blühn, Wo die Liebste mein denket mit wonnigem Glühn, O, wo ich geschwelget in Liedern und Wein: Wo ich bin, wo ich geh', mein Herz ist am Rhein! Dich grüß' ich, du breiter grüngoldiger Strom,
Euch Schlösser und Dörfer, und Städte und Dom, Ihr goldenen Saaten im schwellenden Tal, Dich Rebengebirge im sonnigen Strahl, Euch Wälder und Schluchten, dich Felsengestein: Wo ich bin, wo ich geh', mein Herz ist am Rhein! Dich grüß' ich, o Leben, mit jauchzender Brust,
Beim Liede, beim Weine, beim Tanze die Lust! Dich grüß' ich, o teures, o wackres Geschlecht. Die Frauen so minnig, die Männer so recht! Eu'r Streben, eu'r Leben, o mög' es gedeihn! Wo ich bin, wo ich geh', mein Herz ist am Rhein! Mein Herz ist am Rheine, im heimischen Land! |
Guillaume Apollinaire "Mai" (1902) Le mai le joli mai en barque sur le Rhin
Les dames regardaient du haut de la montagne Vous êtes si joli mais la barque s'éloigne Qui donc a fait pleurer les saules riverains Or des vergers fleuris se figeaient en arrière
Les pétales tombés des cerisiers de mai Sont les ongles de celle que j'ai tant aimée Les pétales flétris sont comme ses paupières Sur le chemin du bord du fleuve lentement
Un ours un singe un chien menés par des tziganes Suivaient une roulotte traînée par un âne Tandis que s'éloignait dans les vignes rhénanes Sur un fifre lointain un air de régiment Le mai le joli mai a paré les ruines
"Mai" (1902) Im Mai im schönen Mai in Booten auf dem Rhein Die Blüten hinter uns erstarrten an den Bäumen
Die Blütenblätter die im Mai der Kirschbaum gibt Sind ihre Fingernägel die ich so geliebt Verwelkt sind sie wie Augenlider über Träumen Gemach auf einem Weg entlang den Stromesrand
Folgten Zigeuner dort mit Affe Bär und Hunden Dem Zirkuswagen dem ein Esel vorgespannt Indes im Weingelände das der Rhein durchwand Mit ferner Pfeifen Lied ein Regiment entschwunden Der Mai der schöne Mai schmückt die Ruinen mild
Mit Efeu Heckenrosen und mit wildem Weine In Uferweiden spielt und wühlt der Wind vom Rheine In Rebenblüten nackt und plauderhaftem Schilf |