Natur- und Denkmalschutz

Unbefestigter Weg am Rheinufer nördlich von Bonn mit zwei Wanderern. Oberhalb des Weges sind Weinfelder, die in der Ferne liegende Stadt ist nur anhand von Festungstürmen erkennbar. Die gesamte linke Bildhälfte ist durch den Rhein ausgefüllt, auf dem in der Höhe von Bonn ein Holzfrachtschiff - ein sogenannter Oberländer - verkehrt. Im Hintergrund die Silhouette des Siebengebirges, über dem der Drachenfels und die Wolkenburg bezeichnet sind. Gegenüber ist Godesburg erkennbar, die ebenfalls bezeichnet ist. Über Bonn findet sich die Beschriftung "by Bonn".
Rheinansicht mit Siebengebirge,
Kupferstich, Wenzel Hollar, um 1632/34.
 
 
 
Eine für die Landschaft des Siebengebirges entscheidende Wende vollzieht sich in einigen Jahrzehnten um 1800. In dieser Zeit entsteht - unter dem vielfältigen Einfluss geistiger und wirtschaftlicher Veränderungen - ein neues Landschaftsbewusstsein, das sich in der Region nachhaltig auswirkt. 

Die bis dahin "traditionelle" Wahrnehmung wurde bestimmt durch ökonomische Aspekte. Das Siebengebirge war für die weite Umgebung hauptsächlich wegen seiner Steinvorkommen interessant - eine Sichtweise, die ihren Niederschlag etwa in einer Legende findet, die im 19. Jahrhundert in rheinischen Sagensammlungen auftaucht.

"Als einst viele Ritter des Landes beisammen waren, zeigten sie einander auch ihre Ringe und jeder rühmte seine kostbaren Edelsteine, die er darin hätte. Da wies der Burggraf Johann von Drachenfels auch seinen Ring vor, darin hatte er ein Stückchen von den Hausteinen seines Berges fassen lassen, und er meinte, der könne es mit denen der anderen Herren an Wert aufnehmen. Alle lachten ihn aus, er aber fuhr fort: 'Er glänzt nicht so wie eure; aber der bringt mir jährlich viele hundert Gulden ein von den kölnischen Domherren, die den Stein zum Kirchenbau brauchen; was nützen euch dagegen eure Steine!'"

Rheinseitiger Drachenfelsabhang mit der Burgruine und dem unterhalb liegenden Krater des Domsteinbruchs. Von dort bis zum Rhein verläuft die sogenannte Steinrutsche als Schleifspur erkennbar. Am Hang spärlicher Baubewuchs, dafür in den unteren Bereichen Weinbaufelder. Der Ort Königswinter ist nicht dargestellt.
Ansicht des Drachenfels, Kup-
ferstich, Matthäus Merian, 1646.

Zweigeteilte Karte: Im oberen Bereich der Drachenfels mit Ruine und weiteren Bergen von der Rheinseite. Am Fuß der Berge die Ortschaft Königswinter mit einigen Häusern angedeutet und der Rhein mit einigen Schiffen. Im unteren Teil Kartentext, der die Eingangskarte für den Drachenfels für einen Herrn Dumont ausweist. Die Karte ist mit 12 nummeriert.
Eingangskarte zum Drachen- fels (hier: Freikarte), 30.4.1834. Aus ihrer Not machen die Steinhauer eine Tugend: Zur Kompensation ihrer enormen Verluste durch das Verbot des Steinabbaus nutzen sie den zunehmenden Landschaftstourismus
- und kassieren Eintritt für den
Gipfelbereich!  "Die Person 5 Sgr [Silbergroschen] - Für ein Esel 10 Sgr."

Rheiseitig Ansicht des bewaldeten Petersberghangs. In der Mitte der Steinbruch, der wie eine klaffende Wunde im Berg erscheint.

Basaltsteinbrüche am Peters-
berg und bei Oberkassel - hier
als Beispiele "für die weitere Verwüstung des Siebengebir-
ges". Die Abbildungen entstam-
men einer Kampfschrift des
"Vereins zur Rettung des Siebengebirges" aus dem
Jahre 1886.

Durch Steinbrüche, Abbruchkanten und freien Fels geprägte Landschaft mit einem See im Vordergrund und einem silhouettenhaft dargestellten Arbeiter in der Bildmitte. Im Hintergrund am Waldrand eine Hütte.

Die Rheinseite des Siebenge-
birges in ihrer vielgepriesenen "Schönheit". Farblithographie,
C.G. Schütz / D. Havell,
London 1820.

Rheinansicht von Süden auf den Drachenfels, Nonnenwerth und den Rolandsbogen. Im Vordergrund das Rheinbacher Ufer, von dem eine kleine überdachte Fähre abgelegt hat. Au der Insel Nonnenwerth ist das barocke Klostergebäude erkennbar. Der Drachenfels ist stark überhöht dargestellt.

Bildliche Darstellungen spiegeln eine ähnliche Grundhaltung, indem sie sachlich über die Namen der Berge und Schiffbarkeit des Flusses informieren oder auch Phänomene wie die "Steinrutsche" vom Gipfelbereich des Drachenfels zum Rheinufer markant hervorheben. 

Als im Jahre 1773 ein Teil der Burgruine auf dem Drachenfels in den Steinbruch abstürzt, der bereits weit in das Areal der ehemaligen Burg hineinragt, veranlasst das einen Zeitgenossen einige Jahre später zu kritischen Äußerungen, denen jedwede Gefühle für einen etwaigen Erhaltungswert denkbar fremd sind:

Vor ohngefähr sieben oder zehn Jahren ist wirklich ein solch fürchterlicher Klumpen herabgerollt, der die Weinstöcke sammt Wurzel ausgerissen hat und bis nahe an den Wölsdorfer Hof gelaufen ist. Unvernünftig und tollkühn ist es gehandelt; es sollte verboten seyn, bis so nahe unter dem Thurme zu graben und zu brechen (...) Warum so gefährliche Ruinen nicht je eher je lieber geschleift?  Nichts gleicht der schönen und prächtigen Aussicht, die man von jenen beyden Bergen genießt.
(K. von Schönebeck, 1784)

Vor diesem Hintergrund kann es nicht verwundern, daß es ein für die Beteiligten naheliegender Gedanke war, bei Wiederaufnahme der Bauarbeiten zur Reparatur und schließlich Fertigstellung des Kölner Doms im Jahre 1823 die Steinbrüche am Drachenfels wieder in Betrieb zu nehmen. Die zwangsläufig absehbare Folge, nämlich Abtragung der Bergkuppe und damit auch der markanten Burgruine, stimmte nur wenige Zeitgenossen nachdenklich. Unter ihnen allerdings waren es einige prominente, "romantisch" inspirierte, die sich zum Sprachrohr eines neuen Zeitgeistes aufwarfen - unter ihnen (besonders folgenreich!) der preußische Kronprinz Friedrich-Wilhelm. Auf entsprechende Presseberichte läßt er eine Anfrage an den Oberpräsidenten der Rheinprovinz richten:

"Königliche Hoheit der Kronprinz und die ganze Königliche Familie (...) interessieren sich lebhaft für die Erhaltung der Ruine. (...) Endlich läßt Seine Kgl. Hoheit der Kronprinz Ew. Excellenz ersuchen, so viel und so weit es die bestehenden Gesetze gestatten, dem Unwesen der Zerstörung solcher geschichtlicher Denkmäler zu steuern, welches gewöhnlich nur aus Gewinnsucht hervorgeht. ..."

Dieser Appell ist tatsächlich erfolgreich: Der preußische König lässt den Steinabbau am Drachenfels verbieten! In Ermangelung rechtlicher Handhaben müssen hierfür zunächst Sicherheitsbedenken vorgeschoben werden, die sich auf die Dauer als nicht haltbar erweisen. Nach jahrelangem Rechtsstreit findet der staatliche Willkürakt erst im Kauf des Drachenfelsgipfels seine nachträgliche Legitimation. Der Abschluß des Kaufvertrages am 26. April 1836 steht damit am Ende einer Initiative, die schließlich als eine der frühesten staatlichen Maßnahmen für den Natur- und Denkmalschutz in die Geschichtsschreibung eingehen wird.

Der Steinabbau an anderen Bergen im Kernbereich des Siebengebirges geht allerdings weiter und nimmt sogar zu. Besonders für den Ausbau der Verkehrswege - z.B. Straßen, Eisenbahnen, Deichbauten - wird der bis dahin wegen seiner Härte ungenutzte Basalt zum begehrten Baumaterial. Dadurch entstehen an vielen Bergen des Siebengebirges neue Brüche, die das Landschaftsbild zunehmend beeinträchtigen. Der Finkenberg bei Beuel wird fast ganz abgetragen; besonders starke Schäden erleiden Petersberg und Ölberg.
Gegen diese Naturzerstörungen kämpfen der 1869/70 gegründete "Verschönerungsverein für das Siebengebirge" (VVS) und der 1886 gegründete, später im VVS aufgegangene "Verein zur Rettung des Siebengebirges". Dieser erreicht die Stillegung eines besonders auffälligen Steinbruchs am Petersberg. Den Ölberg rettet der VVS 1899 durch Ankauf. Dabei unterstützt ihn der Oberpräsident der Rheinprovinz Berthold Nasse. 
Rechteckige Karte mit gewelltem linken Rand, überschrieben mit 1. Geldlotterie des Siebengebirges. Darüber wurde eine große 2 gedruckt. Weitere Information sind auf der rechten Seite aufgedruckt. In Vignetten auf der linken Losseite sind der Drachenfels, eine Rheinansicht von Königswinter und eine Ansicht mit der Klosterruine in Heisterbach.
(zu den Abbildungen links:)

Lotterielose

Bei seinen Bemühungen zur Beschaffung von Finanzmitteln erwirkte der Verschönerungsverein für das Siebengebirge die Genehmigung zur Durchführung von Lotterien. Der Erlös einer ersten Ausspielung 1881 sollte für die Erhaltung der Ruinen Heisterbach und Löwenburg verwendet werden. Da der erhoffte Erfolg jedoch ausblieb, scheiterte die Rettung der baufällig gewordenen Ruine Löwenburg.
Eine weitere Lotterie im Jahre 1899 verlief erfolgreicher. Der Ertrag erlaubte den Ankauf etwa von Steinbruchparzellen, um deren Betrieb stillzulegen und die Ausdehnung benachbarter Betriebe zu behindern.
"Vater Rhein" vertreibt die
Steinhauer am Drachenfels!
Illustration zur Siebengebirgs-
lotterie 1899.
Im Lauf der Zeit erwirbt der VVS über 800 Hektar im zentralen Gebirge. 1899 und 1902 verbietet der Regierungspräsident in Köln die Neuanlage und Erweiterung von Steinbrüchen. Allmählich werden alle Steinbrüche im Siebengebirge stillgelegt, die meisten bis 1914, zuletzt um 1940 der Weilberg. Nur die Basaltsteinbrüche Hühnerberg und Meerberg in der näheren Umgebung werden heute noch betrieben.
 
1923 wird das Siebengebirge als eine der ersten deutschen Landschaften zum Naturschutzgebiet erklärt. Verordnungen aus späteren Jahren - zuletzt 1989 und 1991 - verstärken seinen Schutz. Mit über 4200 Hektar ist es das größte Naturschutzgebiet in Nordrhein-Westfalen. Der Erklärung zum Naturpark im Jahre 1958 folgt 1971 die Verleihung des Europa-Diploms des Europarates - eine Auszeichnung für hervorragend schöne, schutzwürdige und naturwissenschaftlich bedeutsame Landschaften.
Elmar Heinen / Elmar Scheuren, 1997/2003